Keiner wird gerne offen kritisiert, das wissen wir alle aus eigener Erfahrung. Leider vergessen die meisten Menschen im Alltag diese Erkenntnis und verspielen so wertvolle Sympathiepunkte. Zumal viele Menschen sich auch nicht bewusst machen, dass Kritik nicht per se negativ ist. Kritik zu üben bedeutet in erster Linie ein Feedback zu geben – und das kann positiv wie negativ ausfallen.
Jeder Mensch macht Fehler
Kein Frage: Jeder macht Fehler. Dies ist keine Schande und sogar gut, wenn wir daraus lernen. Respektlose und unüberlegte Kritik steht aber leider allzu oft diesem heilsamen Lerneffekt entgegen.
Die Kultur der Angst
Wir können wesentlich entspannter leben und professioneller miteinander arbeiten, wenn wir dem Gegenüber die Gelegenheit lassen sein Gesicht zu wahren und selbstbestimmt aus seinen Fehlern zu lernen. Die Alternative hierzu ist eine Kultur der Angst und der verbalen Gewalt. Hierbei vermeiden Menschen aus Angst vor Fehlern und negativer Kritik jegliche Eigeninitiative. Diese Angstkultur schwächt die Menschen und entzieht ihnen wichtige Ressourcen, die sie dringend benötigen, um ihre Zukunft selbstbewusst zu gestalten.
Die folgenden sechs Regeln der richtigen Kritik dienen als Leitfaden, um ein Gegenmodell zu dieser Kultur der Angst zu schaffen.
1. Schaffen Sie den richtigen Raum
Kritik in der Öffentlichkeit ist tabu. Auch Verbesserungsvorschläge zwischen Tür und Angel sollten unterlassen werden. Schaffen Sie einen abgegrenzten Bereich, denn Arbeit an der eigenen Persönlichkeit ist immer eine private und sensible Angelegenheit. Mechaniker tunen Sportwagen ja auch nicht auf dem Marktplatz, sondern in ihrer geschützten Garage.
2. Steigen Sie positiv ein
Beginnen Sie mit einer positiven Kritik. Gefragt sind ehrliche Komplimente und keine beliebigen Worthülsen. Aus der Pädagogik stammt das sogenannte Sandwich-Prinzip. Dabei verpackt man die negative Kritik zwischen zwei positive Punkte. Durch das Lob zum Einstieg erreichen Sie es, dass Ihr Gegenüber Ihnen auch zuhört und sich nicht von vorneherein verschließt.
3. Benennen Sie das Problem
Erzählen Sie dem Anderen, was Ihnen an ihm positiv oder negativ aufgefallen ist. Berichten Sie über eigene Erfahrungen. Erläutern Sie hierbei auch (überwundene) eigene Probleme oder Schwierigkeiten. So schaffen Sie eine offene Atmosphäre und fördern den Dialog. Vermeiden Sie unbedingt Generalisierungen wie „Sie machen immer…“ oder „Sie waren schon immer so“.
Diese Art von Behauptungen steht Ihnen nicht zu, zumal es nicht angemessen ist, in der mittleren und fernen Vergangenheit zu wühlen. Mit diesem Verhalten negieren Sie das Recht des Gegenübers zur Weiterentwicklung, da er heute ein Anderer ist als vor einem Jahr oder als Jugendlicher.
Vermeiden Sie außerdem die Formulierung „Sie müssen“. Dieser Einstieg erweckt die Atmosphäre von Zwang. Vor allem stolze Menschen hassen solche Bevormundungen und werden sich durch diesen Einstieg schnell gegen jegliche Reformen sträuben, ganz gleich wie berechtigt sie sind.
Vergessen Sie niemals, dass Ihr Gegenüber eine andere Geschichte, Identität und Herkunft besitzt sowie einen anderen Lebensweg gegangen ist. Sie haben Ihre Lektionen im Leben gelernt. Der andere Mensch hat andere Lektionen verinnerlicht und andere Lehren gezogen. Akzeptieren Sie diese unsichtbare Grenze.
4. Zeigen Sie die Vorteile für den Anderen auf
Jeder denkt an sich selbst zuerst. Das ist kein Egoismus, sondern die Natur unserer Spezies. Zeigen Sie dem Gegenüber auf, welche Vorteile er davon hat, wenn er seine Verhaltensweisen ändert. Auch hier können Sie von eigenen Erfahrungen berichten.
5. Werden Sie konkret
Erläutern Sie dem Anderen, was er konkret besser machen könnte. Bleiben Sie hierbei sachlich und fassen Sie sich knapp. Zu viele Informationen kann der Andere nicht aufnehmen und erst Recht nicht verarbeiten. Falls Ihnen dies schwer fällt, notieren Sie sich vorher die wichtigsten Punkte.
6. Schließen Sie positiv
Enden Sie das vertrauliche Gespräch – in Anlehnung an das Sandwich-Prinzip – mit einem weiteren, glaubwürdigen Lob über den Anderen. Bleiben Sie offen, aber markieren Sie nicht den großen Bruder oder die gütige Vaterfigur. Beides ist für erwachsene und gereifte Persönlichkeiten demütigend. Bieten Sie zum Schluss weitere Hilfestellungen an, falls das Gegenüber diese wünscht.
Über den Autor
Dieser Artikel stammt von Nicolas von Lettow-Vorbeck aus dem Gentleman – Blog. Sie präsentieren die anmutige und anziehende Welt des Stils, der Manieren sowie der Mode und sind die Experten auf den Gebieten: Klassische Herrenmode, stilvoller Genuss und souveräne Umgangsformen.
Foto: ©bixentro
Max Garre says
Ein sehr interessanter Artikel, der mir einige Denkanstöße beschert hat. Vielen Dank!
Grüsse,
Max
Lennart Winkelmann says
Ich werde versuchen diese Denkanstöße in Zukunft umzusetzen!
Großes Kompliment an den Autor!
Freundliche Grüße,
Lennart
Marc Taunzieh says
Danke für die hilfreichen Informationen, die mich sehr inspiriert haben!
Mit freundlichen Grüßen,
M. Taunziehn
Phillip Scheider says
Sehr erhellender Artikel, vielen Dank dafür!
Philip
Guy de Fries says
Ein wunderschöner Artikel, vielen Dank an den Autor!
Tiziana says
Danke für die hilfreichen Infos!